In einer Weiterbildung zum Thema Innovationsmanagement arbeite ich mit den Teilnehmenden heraus, wie wir Raum für Innovation schaffen können. Wir widmen uns dabei sowohl den gedanklichen wie auch den physischen Freiräumen.
Sprache und Denken
Den gedanklichen Raum starte ich manchmal mit der Aufgabe: „Denkt jetzt an irgendwas, bloss auf keinen Fall an einen lila Elefanten mit grünen Punkten. Ihr dürft wirklich denken, was ihr wollt, aber nicht an einen Elefanten, erst recht nicht in Lila und auf gar keinen Fall mit grünen Punkten!“ Die meisten Teilnehmenden schaffen es unter diesen Voraussetzungen nicht, sich ganz und völlig von diesem Elefanten zu lösen. Sprache und insbesondere Wörter, die mit Inhalten gefüllt sind, provozieren unser Hirn, sich diese Inhalte bildlich vorzustellen.
In der Sprachwissenschaft gibt es den sogenannten „sprachlichen Relativismus“: Sprache beeinflusst unser Denken. Theorien haben diesen Zusammenhang enger oder weiter gefasst und Studien belegen und widerlegen diese Theorien. Ein Beispiel dazu: Je nach dem, welche Wörter für Farben es in einer Sprache gibt, fällt es Menschen einfacher oder schwerer, Farben in den Grenzbereichen diesen Wörtern zuzuordnen (vgl. dazu beispielsweise den Ted-Talk von Lera Boroditsky, bei Minute 7).
Gleichzeitig verrät und ein Blick in den Sprachwandel der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte, dass Sprache nichts statisches ist und dass sich insbesondere auch die Wörter in einer Sprache der Realität anpassen. Wenn wir neue Wörter brauchen, erfinden wir sie oder wir füllen alte Wörter mit neuen und zusätzlichen Bedeutungen. Das Denken beeinflusst also auch unsere Sprache. Beispiel dafür ist das neue Wort „Computer“ in der deutschen Sprache und gleichzeitig die Erweiterung des alten Wortes „Rechner“ für die Bezeichnung einer Maschine, die elektronische Daten verarbeitet.
Unternehmen in Veränderungen schaffen oft neue Wörter für Strukturen und Prozesse. Es reicht aber nicht aus, alte Dinge umzubenennen. Sonst passiert Folgendes: „Dem sagen wir neu Review. Früher haben wir dem Zwischenrapport gesagt.“ Solche Aussagen zeigen, dass die Sprache das Denken nicht wie gewünscht beeinflusst hat: Die Mitarbeitenden halten immer noch am vergangenen Referenzsystem fest. Es reicht also nicht aus, nur an der Sprache zu feilen, wenn sich im Hintergrund nicht auch die Haltung verändert.
Vorsicht sei auch geboten, wenn Muster stereotyp abgelehnt werden. Ein Beispiel hierfür ist das „Aber-Verbot“. Das Wort „aber“ signalisiert einen Gegensatz. Es gibt Menschen, die möchten die Welt nicht in Gegensätzen verstehen – sie verzichten auf das Wort „aber“ und ersetzen es durch „und“. Die Frage ist, ob dadurch faktische Gegensätze verschwinden können oder ob nicht vielmehr ein Blinder Fleck entsteht. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis heute das Projekt abzuschliessen UND wir haben Zeit damit vertrödelt, das Teilprojekt zu vergolden.“ verschleiert möglicherweise den Zusammenhang und die Tatsache, was unserem Ziel eigentlich im Weg steht.
Meiner Auffassung nach bringen absolute Ge- oder Verbote nichts. Ich versuche weitgehend (!) auf Wörter wie „immer“ und „nie“ zu verzichten. Und manchmal sind sie halt doch angebracht… Offenheit auf alle Seiten – auch und insbesondere in der Sprache – schafft Offenheit für Gedanken und Ideen.
Raum und Interaktion
Auch der physische Raum beeinflusst, wie wir miteinander sprechen (können) und wie wir denken. Schauen wir uns als typisches Beispiel an, wie ein Sitzungszimmer gestaltet ist: Steht da ein langer Tisch, an dessen Kopfende der Chef sitzt, so haben alle Mitarbeitenden zwar freien Blick auf ihn, jedoch können sie sich untereinander kaum austauschen.
Für Kreativität und Innovation ist es in vielen Fällen hilfreich, wenn die Menschen miteinander interagieren können. Je mehr Perspektiven aufeinander treffen, desto besser sehen wir über unseren eigenen Tellerrand hinaus. Sitzen die Teilnehmenden an einem runden Tisch oder in einem U, so sehen sich alle und können ganz anders miteinander kommunizieren und interagieren. Und auch vorgesetzte Personen können sich hier gleichberechtigt in die Sitzordnung einfädeln.
Sitzordnungen lassen uns auch unbewusst in bestimmte Verhaltens- und Denkmuster verfallen. Nehmen wir als Beispiel ein Schulzimmer mit festen Bankreihen. Wer in so einem Schulzimmer gross geworden ist, weiss: Am Tisch sitzend hat man still zu sein und zuzuhören, was die Person erzählt, die vorne steht. Sie weiss, was richtig und was falsch ist. Oft verfallen wir darum schnell in eine „Kino-Haltung“ und denken gar nicht mit, wenn wir uns in einer solchen Bestuhlung befinden.
So liegt der Schluss nahe, dass wir durch die Gestaltung des Raums die Chance auf Kreaktivität erhöhen (oder eben auch mindern) können. Eine Raumeinrichtung, die Aktivität ermöglich, wird sich wahrscheinlich auf die Dynamik in unserem Denken auswirken. So haben viele Unternehmen „Design Thinking-Zimmer“ eingerichtet, die variable Sitzordnungen zulassen und spezielle Sitzgelegenheiten bieten und die mit Zusatzelementen (z.B. Whiteboards, Flipcharts, Spiel- und Bastelelementen) ausgerüstet sind.
Positiv wirkt sich auch aus, wenn wir uns entspannen können – darum eben gerne auch alternative Sitzgelegenheiten, die etwas gemütlicher sind. Neurologische Studien zeigen ebenfalls auf, dass Kreativität gefördert werden kann mit angenehmen Impulsen, beispielsweise einem angenehm eingerichteten Raum. Und nicht zu letzt hilft es auch, sich ab und zu abzulenken, also beispielsweise für Sitzungen und Workshops einfach mal raus zu gehen, auf die Dachterrasse, in den Park, in den Wald. Denn Neues bringt unser Denken weiter.
Aber aufgepasst: Genauso, wie beim Beispiel der „neuen Sprache“ für alte Prozesse und Strukturen (vgl. oben) gilt auch bei der Schaffung von speziellen Räumen für Kreativität, dass die Haltung dahinter stimmen muss. Und dann haben wir hoffentlich die Offenheit für lila Elefanten mit grünen Punkten…