Lernen und Emotionen

Wir lernen ständig, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Und auch Emotionen begleiten uns ständig — ja, auch wenn wir uns dessen ebenfalls nicht bewusst sind. Und daher scheint es nur logisch, dass Emotionen auch unser Lernen beeinflussen und umgekehrt.


Als Kind ist uns Neugierde angeboren. Kinder erforschen alles und lassen sich dabei meist völlig ungehemmt treiben, ohne dass sie in dieser Neugierde einen bestimmten Sinn suchen. Leider kommt uns dieses Verhalten als Erwachsene meist irgendwo abhanden. Aus eigener Erfahrung (sowohl für das betriebliche Lernen wie auch in der Erwachsenenbildung) weiss ich, dass Studierende und Weiterbildungsteilnehmende meist ganz zu Beginn einer Veranstaltung genau wissen wollen, was die Lernziele sind und welche Inhalte abgehandelt werden. Oftmals möchten insbesondere Studierende dazu auch noch von mir als Dozentin erfahren, warum ich ein Lernziel oder einen Inhalt ausgewählt habe und weshalb das für sie als Lernende denn überhaupt Sinn macht.

Das entzaubert natürlich den ganzen Lernprozess etwas. Weil eine gute Struktur und vor allem auch Transparenz darüber der Zielgruppe zu helfen scheint, leiste ich hier meinen Beitrag an eine gute Lernsituation — jedenfalls meistens. Aber: Lernen besteht eben nicht nur aus kognitiven Prozessen. Aus Studien geht hervor, dass emotionale Prozesse die kognitiven Prozesse steuern (vgl. z.B. Seifried & Sembill, 2005). Daher ist eine gute Lernumgebung nicht nur für kognitive, sondern auch für emotionale Prozesse optimiert.

Emotionen und ihre Ausprägungen

Emotionen nehmen dabei Einfluss auf das Denken und Handeln, sie steuern die Aufmerksamkeit und sie beeinflussen sogar die Speicherprozesse im Gehirn (vgl. Pekrun, 2018). Dabei verhalten sich die Mechanismen nicht nur anders für positive und negative Emotionen, sondern wichtig ist insbesondere auch die Unterscheidung von aktivierenden und deaktivierenden Emotionen.

positiv negativ
aktivierend Freude
Hoffnung
Stolz
Ärger
Angst
Scham
deaktivierend Erleichterung
Entspannung
Langeweile
Hoffnungslosigkeit

Abbildung nach Pekrun, 2018, S. 216

Erleichterung über einen Lernerfolg (positiv deaktivierend) kann also dazu führen, dass wir für den Moment keine Motivation mehr verspüren weiterzulernen und auch Langeweile — beispielsweise durch Überforderung — (negativ deaktivierend) bremst unsere Lernbemühungen. Demgegenüber kann Ärger über einen Lernmisserfolg (negativ aktivierend) die Motivation zum Lernen verstärken und Gefühle wie Stolz über unsere bisherige Leistung (positiv aktivierend) spornt uns weiter an.

Interessant wird es, wenn wir uns die Wirkung auf das Gehirn anschauen: Studien zeigen, dass negative Emotionen hilfreich sind, wenn wir aus wenig zusammenhängenden Informationen lernen müssen, während positive Emotionen das Lernen unterstützen, wenn das Lernmaterial zusammenhängend ist. Eine Erklärung dazu liefert der „Mood-as-information“-Ansatz: Positive Emotionen signalisieren dem Gehirn, dass alles in Ordnung ist, negative, dass etwas nicht stimmt. Daraus ergibt sich, dass wir mit positiven Emotionen gut darin sind, kreativ Probleme zu lösen, während dem wir mit negativen Emotionen gut darin sind, Lösungen kritisch und vor allem analytisch zu überprüfen (vgl. Pekrun, 2018).

Bringt euch also in eine positive Stimmung, wenn ihr nach neuen Lösungen sucht und versetzt euch selber einen Stimmungsdämpfer, wenn ihr Bestehendes kritisch durchdenken sollt. Hm, naja… Besser vielleicht: Wenn ihr euch in einem Stimmungshoch befindet, sucht euch Herausforderungen, die ihr kreativ angehen könnt. Und wenns euch grad mal nicht so gut geht, nehmt euch Aufgaben vor, die nach einer kritischen Analyse verlangen.

Soziale Eingebundenheit

Wichtig dabei: Die Emotionen müssen sich auf das Lernen und das Lernobjekt beziehen. Emotionen beanspruchen nämlich das Arbeitsgedächtnis und wenn sie sich auf irgendetwas in der Welt beziehen, wandert entsprechend auch unsere Aufmerksamkeit ab. Daraus folgt auch, dass eine gute Stimmung alleine nicht ausreicht, um gut zu Lernen (vgl. Pekrun, 2018)

In vielen Unternehmen wurde in den vergangenen Jahren — besonders auch mit der Einführung von agilen Strukturen — das Miteinander gestärkt. Dazu dienen beispielsweise ein gemeinsames Feierabendbier (natürlich auch mit anderen Getränken!) oder gemeinsame Mittagspausen. Diese reichen zwar für optimales Lernen nicht aus, sie schaffen aber eine wichtige Voraussetzung dafür.

Deci und Ryan (1985) fassn in ihrer Selbstbestimmungstheorie der Motivation drei Faktoren zusammen: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Bestenfalls können wir autonom über unsere Lernziele bestimmen (wodurch sich dann auch meist die Sinnfrage erübrigt). In machen Unternehmen haben Mitarbeitende völlig freie Zeit, in der sie sich mit irgendetwas beschäftigen können — was den kindlichen Forschungsgeist wiederbeleben kann. Aber selbst wenn wir nicht über ganz freie Zeit verfügen, so merken die meisten Menschen, wenn etwas nicht rund läuft und können dann selber an diesen Problemen arbeiten (d.h. also, sich Lernziele setzen), um die Situation zu verbessern.

Voraussetzung dazu ist, dass ich über die Kompetenzen und den Freiraum verfüge, solche Lösungen zu suchen und umzusetzen. Motivierend ist dann insbesondere auch, wenn wir unsere Kompetenzen bestätigt sehen und Erfolge feiern können, das heisst, wenn wir Selbstwirksamkeit erleben.

Die soziale Eingebundenheit schliesslich besteht einerseits in der Zusammenarbeit mit anderen, die ebenfalls mit mir lernen oder die meinen eigenen Lernprozess begleiten, beispielsweise mit Feedback und mit Tipps und Tricks. Gerade beim gemeinsamen Lernen lassen sich dann Erfolge auch gemeinsam feiern und Misserfolge kann man in der Gruppe analysieren. Mit oder ohne Bier bildet sich in einem informellen Austausch eine Vertrauensbasis, auf der wir auch über Fehler und Irrtümer sprechen können — was natürlich seinerseits wiederum das Lernen befeuert.

Lernen wir damit auch zu einem sozialen Handeln, das natürlich auch wieder geeignete Kommunikation erfordert. Wir sehen, wir kommen immer wieder zum Ursprung von Kommunikation 3.0 zurück…

Literatur:

  • Deci, Edward L. & Ryan, M. (1985). Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behaviour. New York: Plenum Press.
  • Pekrun, Reinhard (2018). Emotion, Lernen und Leistung. In: Matthias Huber & Sabine Krause (Hgg.): Bildung und Emotion. Wiesbaden: Springer VS, S. 215—232.
  • Seifried, Jürgen & Sembill, Detlef (2005). Emotionale Befindlichkeit in Lehr-Lern-Prozessen in der beruflichen Bildung. In: Zeitschrift für Pädagogik, 51/5, S. 656—672.